2024: DU SOLLST NICHT VERBLÖDEN
„Du sollst nicht verblöden“. Einstein und Reis stecken uns die Zunge heraus und begegnen der Apokalypse. Durch seine schwere Erkrankung konnte er die Texte zu diesem Programm erst am 5. Juni 2024 im Senftöpfchen Theater lesen und verabschiedete sich an diesem Abend von der Bühne und von seinem Publikum. Schon zu Beginn des Abends gestand er, etwas tun zu müssen, was er immer vermeiden wollte: Sitcom statt Stand-Up.
Zu seinem letzten Auftritt schreibt die Kölnische Rundschau:
„Dann betritt der Kult-Kabarettist mit dem Sinn für schwarzen Humor ohne Grenzen … die Bühne und setzt sich an einen kleinen Tisch …
Reis thematisiert sofort offensiv seinen Gesundheitszustand: ‚Eigentlich merkwürdig, dass man geht, wenn man nur noch sitzen kann‘ … das Publikum will Thomas Reis er nicht ohne einen aufmunternden Ratschlag nach Hause gehen lassen: ‚Wenn der Mensch das Maß aller Dinge sein soll, dann rate ich zur Maßlosigkeit‘ – und stimmt mit brüchiger Stimme den Cole Porter Song ‚Every Time we say Goodbye‘ an, der im Zuschauerraum die Tränen kullern lässt.“
R.-R. Hamacher
Nur 18 Tage nach seinem Auftritt, am 23. Juni 2024, ist der Künstler verstorben. Am 30. August 2024 fand in der Comedia die bewegende Trauerfeier statt.
Trauerfeier (Foto: Tina Zertz)
Rede von Joe Knipp auf seinen Freund Thomas Reis am 30. August 2024 in der Comedia
Thomas Reis. Es sind so viele Freunde da, es ist so viel vorbereitet. Mir fällt es schwer heute über ihn zu sprechen. Am liebsten würde ich weinen und anschließen ein paar Kölsch trinken. Aber: Thomas sagte: Du hältst die Rede. Toll. Diese Rede zu schreiben hat von mir das verlangt, was ich in über dreißig Jahren immer von Thomas verlangt habe. Von 1000 Seiten Text 995 zu streichen. Es sind so viele Erinnerungen, so viele Fußballspiele, so viel Kölsch, so viele Reisen, so viele wundervolle Auftritte, auf Gold-, Holz-, Kartoffel- und Reis-Bühnen, in Freiburg, Berlin, im Theater am Sachsenring und auch in der Comedia. Hier wollte er eigentlich nicht mehr auftreten. Kein Platz mehr für alte weiße Männer, erzählte er mir. Jetzt ist er doch wieder da. Geht doch.
Thomas? Ich höre dich.
„Liebe Freunde der belesenen Betroffenheit, Feministen und Feministinnen, trans-, bi-, homo- hetero- und metrosexuelle Menschenfreund*innen aller Religions-, Volks- und sonstigen Orientierungsgruppen, unabhängig jeder Pigmentierung oder epidermalen Farbspektrums-Zugehörigkeit.
Liebe Diversen und Perversen, Perversinen und Apfelsinen…“
Lieber Thomas, musst schon wieder provozieren? Ich weiß, du wolltest nie in Stadien auftreten oder eine große Fernsehshow bestreiten. Das hat größtenteils geklappt. Das Rezept dafür war gut. Provozieren, schlimme Wörter schreiben oder mit der Redakteurin schlafen…
Was sagst du? „Ich hab’s doch nur gut gemeint…“
Eine andere Möglichkeit – deine Komik so ausrichten, dass sie hinterrücks zuschlug, sie war alles andere als korrekt, sie war respektlos, wie es sich gehört und wortgewandt, wie es heute kaum mehr jemand in der Lage ist auf die Bühne zu bringen. Mit deinen wolkig-sonnigen Albträumen konnte und kann kein Recherche-Kabarett Schritt halten.
Die ersten Inszenierungen waren experimentell, obwohl es keine Zuschüsse dafür gab. Ein Plüschbär und ein Riesen-Plüschbär in einem Laufstall. Der Kleine wurde aufgehängt, der Große missbraucht. Gewaltkabarett, roter Stern – darin Reis mit querliegendem Hammer und schon zu Beginn die Frage:
„Was willst du machen? Irgendwas mit Tieren, Metzger vielleicht.“ Der große Bär saß neben dir im Kabrio, wenn es auf Tour ging und verursachte schon auf der Autobahn den ein oder anderen Schreck.
Die ganzen Erinnerungen – mein Kopf ist voll davon. Schreiben, streichen, Tränen lachen, Tor, jubeln, abklatschen, Spiel-Analyse, Gläschen Wein, schreien, rauchen, Kölsch, das hast du schon zu oft geschrieben, das versteht niemand, lauter, Tor, Vorsicht, das ist ein Naturschutzgebiet, Achtung, Polizei, du musst kürzer werden, noch ein Kölsch, du spinnst. Lanzarote, einmal ohne Regieassistentin, glühende Hitze, du in kurzen Hosen, ich im Anzug – du im Sportwagen, ich in Sorge. Die Polizisten verstanden, dass du nichts getrunken hattest, dein Spanisch war perfekt. Schon am Tisch hattest du uns eine Urne bestellt, also einen Aschenbecher. Wir spielten nicht nur mit Worten. Am Billardtisch waren wir von Gästen umringt, die uns zusahen, die warteten, dass einer von uns endlich in der Lage sein würde die 8, die letzte Kugel, einzulochen. Vergeblich. Wir spielten Purch-Billard. Wir waren Pudel und Lurch. Wir waren dumme Jungs. Auf der Bühne war das anders, da gelang dir jede Karambolage, verschwand jede Kugel in einem schwarzen Loch. Deine Kabarett-Kugeln waren hart, rund und – zu lang. Aber das Publikum krümmte sich mit dir und flog lachend durch dein Raum-Zeit-Kontinuum.
Immer mehr Kugeln flogen, zogen und verbogen sich, wie es wohl in deinem Kopf aussah?
„Wissen Sie, was ein männliches Hirn an Information hortet? Fussballergebnisse aus den 80ern, Mannschaftsaufstellungen aus’n 70ern, sinnlose Liedtexte von Reinhard May bis Biene Maja, schlimm das Insektensterben…
Im Schlaf lernen geht, aber im Schlaf vergessen… das von früher konnte ich mir besser merken… unvergeßlich, Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer und Barschel in der Badewanne. Der 11te September, ja, aber irgendwelche schlampig hingerotzten Kriege, …könnten nicht zumindest’n paar Klingonen mit dabei sein oder eine burmesische Zwerg-Giraffe, was seltenes, nicht nur was selten Dämliches und wieso heißt es nicht: Was selten Herrliches. Wieso zapfen wir Bier aus dem Hahn und nicht aus dem Huhn …“
In zwei deiner Stücke werden wir wieder in deinen Kopf schauen können – das Gerümpel, auch deine Träume, werden uns erhalten bleiben. Anna und Charlotte werden dafür sorgen. Zwei Frauen und ein Kühlschrank. Heißt jetzt anders – egal.
Wo bist du? Vielleicht sitzt du noch hinter der Bühne an deinem Computer. Noch kurz vor der Vorstellung sah ich dich immer tippen. Ich fragte dich „Was machst du da?“ und du sagtest: „Nur ein paar Kürzungen“. Das hieß – die Kugel wurde – wieder einmal etwas mehr in die Länge gezogen. Thomas? Was hast du da gemacht?
„Ich schlief weiter und träumte von der Schöpfung.“
Was schöpftest du denn?
„Zwei Schweinchen unterhalten sich. Ferdi, was willstn mal werden? Wurscht.“
Toll. Vielleicht noch was anti-religiöses? Ja.
„Jesus machte Lamas schneller, Blinde zu Hunden und Tauben zu Saft.“
Deine Mutter hätte mich spätestens jetzt besorgt angeschaut. Wenn ich in Freiburg zur Uraufführung neben ihr saß, fragte sie mich jedes Mal: Ist das etwas für meine Bridge-Freundinnen? Aber ja, sagte ich, keine Sorge. Thomas?
„Ich mach mir so meine Gedanken, ich hoffe, es sind meine, dann schlaf ich ein. Sorge Dich nicht, lebe! Ruft mir meine Mutter aus dem Jenseits zu und ich geb mir Mühe, aber meine Mutter ist auch gestorben, das liegt bei uns in der Familie.“
Wo bist du jetzt?
„In den Chips – habe ich gestern beim Fussball, nein, umgekehrt, da haben mich die Chips gegessen.“
Computer, Programm beenden.
„Das kann ich nicht tun, das würde die Mission gefährden, Ich muss lustig sein.“
Sehr witzig. Von Anfang an warst du lustig, zusammen mit deinem Freund Peter, mit dem Duo Vital. Euer Programm: „Kabel-J-Au Sat der Gewalt“. So lustig. So kamst du aus Freiburg in deine zweite Heimat Köln. So lernten wir uns kennen. Ich wollte das Programm nicht. Aber du kamst wieder. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
„Ich bin Wahlschlesier, ich fühl’ mich überall vertrieben“. Du wolltest, du konntest dich anpassen. Mit dem Betreten eines Brauhauses begann eine Metamorphose. Du wurdest kölscher als alle Kölschen. „Köbes, trinkst du einen met?“
Der Köbes antwortete: „I hob Sie net verstanden“. Aber am Ende hast du tatsächlich gesungen: Ich bin ene kölsche Jung. Wie schön. Wie wahr.
Köln, unsere Stadt, hast du schneller verstanden als andere Kölner: „Wenn in Köln mal was funktioniert, fragste dich, was läuft hier falsch.“
Schön, dass wir noch durch das alte Köln ziehen durften, die Oper stand im Zentrum wie auch das Schauspielhaus, es gab Theater, die Stücke spielten, das Theater am Sachsenring existierte noch, dort kamen fast alle deine Programme zur Premiere, eins nach dem anderen. Die erste gemeinsame Inszenierung, der erste Schritt in ein neues Universum: „Als die Männer noch Schwänze hatten“, ein Motto – das nicht jeder lustig fand. Die Freiburger Frauen Fraktion boykottierte schon die Plakate – die mit dem fliegenden Schwanz.
Es wurde ein genialer Flug, ein Kabarett des Surrealen, gut für Psyche, Bauchmuskulatur und Laufspiel, denn du ranntest tatsächlich ein paar Schritte die schwarzen Mauer-Wände unserer Bühne hinauf und standest minutenlang wie der schiefe Turm von Pisa still, während du die Dämonen beschriebst, die sich im Kölner Dom zeigten:
„Die feuchte Kälte… Von den Kerzen tropft der Tod, der letzte Atem bläst Dich an, Leiber starren flehend, aber immer tiefer treiben sie die Pfeile. Gerippengewölbe…“ Ja. Das ist Kabarett.
Zugegeben, die blöden Witze liebte ich besonders. Nach einem Blick auf die Milchtüte beim Frühstück entstand die Pointe: haltbare Fettarme. Abends gingen wir schonmal zum Asiaten, denn wir wussten: Die Chinesen machen nicht alles falsch.
– Suppenhündchen, Dackel-Pudding mit Pudelzuckel, leckel – Wir waren albern, machten uns lustig und du schöpftest und schriebst und schöpftest.
Und das Feuilleton schrieb von der Wiederauferstehung des literarischen Kabaretts.
Dein Universum der Multiphrenie wurde beherrscht von Figuren, die sich gegenseitig zum Wahnsinn trieben, eine typisierte Versammlung von typischen Typen. Der Österreicher – I hob Sie net verstanden – der Frosch „Hahaa“, der Nazi: „Warum? Nu, Gründe, man wird doch wohl noch Gründe haben dürfen“, der Hesse – ei sischääh – natürlich der Badener – „Super… weisch…“ und der Kölner „Ich mach Abenteuerurlaub – ich lass die Betablocker weg.“ Typisierung – ja, das ging, das war sogar besonders gut. Der Badener war der typische Alternative, der Wiener der Zyniker, der Kölner ein Asi.
Die Pointen hagelten, die Gedankenblitze schlugen ein, das Gewitter zog so schnell vorüber, dass so mancher Zuschauer, beseelt vom Nicht-Verstehen, nach deinen Auftritten meinte, noch einmal wiederkommen zu müssen. So mancher glaubte sogar nach einer Derniere einer Premiere beigewohnt zu haben.
Sitzt du schon wieder am Computer? Was schreibst du da? Ich schreibe: „Was machst Du? ‚Ich arbeite für die Polizei.‘ Kommissar? ‚Nein, Mörder.‘“
Du wolltest noch bis zum Schluss den Tod ermorden, du hast ihm den Mittelfinger gezeigt, ihm die Zunge herausgestreckt. Du wolltest auch dass das in Erinnerung bleibt. Du hast gekämpft bis zum letzten Tag. Sorge Dich nicht, lebe! Aber irgendwann konnte selbst dein Geist deinen Körper nicht mehr halten.
Wir haben uns manchmal länger nicht gesehen, während der Reisen mit deinem Sohn oder nach heftigen Streitigkeiten. Dann pflegten wir Social Distancing, nicht nur während der Pandemie.
Was ist? Thomas…
„Zuviel Nähe ist nix für mich, zu nah ist bedrohlich, # Zunami Too. Better 6 feet apart than six feet under. Social Distancing ist ok, aber mein Kühlschrank sieht das anders, der braucht Nähe. ‚Komm näher, komm, öffne mich.‘ Aber ich hab Dich eben erst geöffnet. ‚Schau doch noch mal rein, Du hast bestimmt was übersehen.‘
Wir gingen auseinander, aber wir kamen immer wieder zusammen. Dann stand nichts mehr zwischen uns, höchstens ein gemeinsamer Gedanke – oder ein Kasten Bier. Wir waren Männer, Cis-Männer, wir lebten in streng heteronormativen Strukturen. Ich war dein Regisseur, du nanntest mich Coach, ich war sauer, du erklärtest mir Coach ist besser als Regisseur, wir stritten wieder, zum Schluss war ich dein Coach und du warst und bliebst mein bester Freund.
Was hat mich, den Einzelgänger, und dich, den Menschenfänger, überhaupt verbunden? Ich bin sozial nicht besonders kompatibel, ich hasse Karten spielen, telefonieren, aber du hast immer wieder angerufen. Ich meldete mich nicht. Du riefst an, ich rief nicht zurück, du hinterließest Nachrichten wenn ich meine Ruhe haben wollte, du schriebst etwas Witziges, wenn mir zum heulen war, du riefst nochmal an um dich ordentlich zu verabschieden. Auch dafür habe ich dich geliebt.
Ich habe auch immer bewundert, wie du mit so vielen unterschiedlichen Menschen Freundschaft schließen konntest, ganz einfach, ganz schnell. Man musste nur im Zug mit dir ins Gespräch kommen, wie Nir – und du bist diesem Menschen dein Leben lang treu geblieben. Dein letzter Geburtstag, du warst von der Chemo schon sehr geschwächt, sollte nur in ganz kleinem Kreis stattfinden. Vierzig Freunde kamen zusammen.
Bis zum Schluss war alles wie immer. Wir trafen uns, schauten Fußball, du wolltest die neuen Texte mit Anna und mir durchgehen und damit auf die Bühne gehen, zum letzten Mal. Die Idee deines Sohnes.
Deine letzte Inszenierungsidee für den Auftritt am 5. Juni im Senftöpfchen war – ein Sarg. Nach dem Schlussapplaus wolltest du dich verabschieden, in die aufgestellte Kiste steigen und das wäre es dann gewesen.
Am 5. Juni, hast du zum letzten Mal auf der Bühne gesessen und uns alle noch einmal zum Lachen, zum Staunen und zum Weinen gebracht. Du wolltest unbedingt auf die Bühne.
Schaffst du das, habe ich dich und mich gefragt. Du hast es geschafft weil du es schaffen wolltest. Das Senftöpfchen war ausverkauft, du kamst mit Gehilfen – Gehhilfen – auf die Bühne und – alle Lebensenergie floss wieder einmal, noch einmal, in deine Kunst, in dein eigentliches Leben. „Er ist großartig“, schrieb Anna von hinter der Bühne. Sie sollte einspringen, falls… Aber es gab kein ‚falls‘.
Dein Sohn sagte in der Pause den klugen Satz: „Der Geist siegt über den Körper.“
Nach dem Schlussapplaus, nach der Feier, den Abschieden, hat es noch 18 Tage gedauert, erst dann bist du am Sonntag, den 23. Juni eingeschlafen, um nie wieder aufzuwachen. Dabei waren wir verabredet. Zum Fußball. Wie konntest du nur…
Das Spiel gegen Ungarn am Mittwoch haben wir noch zusammen gesehen. Dann hast du dich von deiner Wohnung und deinem Auto verabschiedet, du musstest ja unbedingt, bis zum Schluss, bis zu deinem letzten Auftritt, noch selbst fahren – und am nächsten Tag hast du mir ein Foto von deinem Zimmer geschickt. Am Samstag haben wir telefoniert. Ob ich gleich zum Spiel käme. Zu welchem Spiel? Du klangst fröhlich und aufgeräumt. Im Hintergrund waren Stimmen zu hören – das Spiel ist doch erst morgen. Ich wollte den Joe doch nur verarschen… Ich sagte: Morgen sehen wir uns. Wir haben uns nicht mehr gesehen.
Du hast mir früher schon erzählt, dein wirkliches Leben begönne erst auf der Bühne. Ich habe gewusst was du meinst, ich habe gewusst, das stimmt, deshalb zogen sich deine Auftritte auch über Stunden. Wenige Stunden Leben. Es war mir klar, das musste so sein und das alles musste dort enden…
„Sterben ist kein schöner Tod, aber so oft kommt‘s nicht vor, einmal, damit kann man leben…“
Deine letzte Pointe. Fast alle deine Pointen haben sich in den letzten Jahrzehnten wiederholt, ausgerechnet diese Pointe willst du nun nicht mehr wiederholen. Warum? Willst du uns wirklich nur noch von unten betrachten? Was ist los, Thomas?
Zu Beginn jeder Probenarbeit stand der Satz: Nicht von oben herab predigen. Warum konntest du dich nicht einmal meinem Rat widersetzen?
„Nicht Rad sagen, dann träum ich wieder, mein Fahrrad mault den ganzen Tag, flick mich Du Sau, aber ich bin total platt.“
Jetzt stehst du nicht mehr wie sonst neben uns, neben dir und machst solche Witze. Warum hast du nicht auch diesmal nur zu 50 % die Wahrheit gesagt? Deine Krankheit wäre nur ein Husten gewesen. Jetzt hast du die Bühne für immer verlassen und diese Welt. Nach der Europa-Wahl habe ich dich gefragt: Wohin sollen wir jetzt auswandern. Und du hast geantwortet: „Ich weiß schon, wohin ich auswandern werde“. Das hat mir dann doch zum ersten Mal die Sprache verschlagen.
Wir beide waren, sind Atheisten. Aber ich glaube, du wirst nun, nur zum Trotz, doch noch von ganz oben auf uns alle herabsehen. Von da wirst du schon sehen, wie sehr wir dich alle lieben, zu 100 Prozent, wie sehr wir das ganz große Theater mit dir vermissen.
Every time I say Goodbye – I die a little – hast du gesungen und bist von der Bühne gegangen. Nach drei Stunden. Keine Zugabe?
Wir sehen dich. Schlafen… vielleicht auch träumen…
„Ich schlafe nicht, ich hab Angst vor Alpträume, vor allem wenn ich im Zug wegdöse: Ich begrüsse Sie im ICE Donald Trump auf seiner Fahrt nach Belgien Hauptbahnhof.“
Das ist ein scheiß Witz und ein scheiß Traum, den hast Du Dir doch ausgedacht.
„Was soll ich machen, ich träum halt nix mehr.“
Und was sollen wir jetzt machen, ohne dich?
„Ordentlich Party machen, aber jetzt möchte ich bitte erstmal schlafen.“
Na dann, alles Gute und liebe wohl.
„Genau, bleibt am Lieben, Tschö und gute Nacht – und, denkt dran, der letzte macht…“
…den Kühlschrank zu. Wir wissen. Die Tür bleibt aber diesmal offen. Damit du uns sehen und hören kannst. Wir sind hier. Wir sehen dich. Wir applaudieren dir.